Kleines Team, große Ansage: Mensch, sei positiv! Häufig kommt sie, wenn die Chefin neue große Pläne schmiedet, aber sich die Mitarbeiter nicht ins Boot genommen fühlen. Oder wenn das Team ein Problem sieht, aber nicht gleich die Lösung parat hat.

Dann stellt die Chefin viele Fragen:

  • Welche Ideen hast du noch?
  • Wo siehst du Möglichkeiten?
  • Hast du auch schon Plan B probiert?

Und ihre Botschaft ist immer dieselbe: Mir wäre es wichtig, lösungsorientiert zu sein. Was nicht geht oder schwierig ist, interessiert mich nicht! Mensch, sei positiv!

Aber einmal verrennt sich die Chefin selbst. Als es im Kundengespräch nicht so läuft wie geplant und dieser eigene Pläne offenlegt, blockt die resolute Geschäftsfrau ab und blockiert sich selbst: „Nein, das wird nicht gehen, undenkbar!“ Dabei hat ihre Mitarbeiterin längst eine Idee im Kopf, wie man beide Seiten und Pläne zusammenbringen könnte. Fieberhaft überlegt sie, wie sie sich zu Wort melden, zwischen die lauten Fronten treten soll und plötzlich rutscht es ihr raus: Mensch, sei positiv!

Für einen kurzen Moment erstarrt die Szene, dann fängt die Chefin an, laut zu lachen, ihre Gesichtszüge entspannen sich und sie wendet sich an ihre Begleitung: „Nur zu, ich bin gespannt auf deinen Lösungsvorschlag!“

Diese Chefin bin ich. Natürlich modern, offen und konstruktiv im Umgang mit Kritik. Jedenfalls auf dem Papier und dank Werbespruch-Generator. In der Praxis aber lasse ich mich nicht gern kritisieren. Schon gar nicht vor einem Kunden. Obwohl ich aus jahrelanger Erfahrung weiß: Kritik ist das Beste, was mir passieren kann. Weil ich mich ohne diese nicht weiterentwickeln würde. Sofern der Feedbackgeber gewisse Regeln einhält:

  • Äußern Sie die Kritik so sachlich und zugleich subjektiv wie möglich: Objektivität gibt es beim Feedback nicht, also wählen wir ganz bewusst die Ich-Perspektive, und zwar konstruktiv, beschreibend und wohlwollend. Bedenken Sie, nur die wenigsten Menschen verhalten sich absichtlich so, dass es bei Ihnen falsch rüberkommt! (Genau, auch hier greift wieder das Prinzip „Mensch, sei positiv!“)
  • Wählen Sie einen guten Zeitpunkt: zeitnah am Geschehen, aber eben nicht direkt vor Dritten oder in akuten Stresssituationen!
  • Achten Sie auf Augenhöhe: Gerade wenn das Feedback, wie meistens der Fall, vom Vorgesetzten zum Mitarbeiter geht, darf sich die Machtverteilung nicht in dem Gespräch widerspiegeln. Die ehrlichste Kritik ist schließlich die, die ohne Rücksicht auf Hierarchien und Interessen daherkommt!

Für den umgekehrten Fall aber, die Kritik an der Führungskraft durch das Team, braucht es entweder anonymisierte digitale Feedbacksysteme oder mutige Mitarbeiter, eine intakte Feedbackkultur und damit Chefs, die Widerspruch und Kritik annehmen können. Drei Dinge helfen dabei:

  1. Bewusstmachung: Mitarbeiter, die ihre Kritik nicht äußern, machen allenfalls Dienst nach Vorschrift – damit ist niemandem geholfen!
  2. Feedbackrituale, die dem Prinzip „Widerspruch ist Pflicht“ Auftrieb geben!
  3. Jahreslanges Training: Haltung, Perspektivenwechsel und Selbstbewusstsein!

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